Beispielprojekte Dachbegrünung

Beispielprojekte Dachbegrünung für eine ökologische Stadtentwicklungsplanung - ein Exkursionsbericht

Orchideenwiesen, Gartenlandschaften, Ersatzlebensräume und architektonische Dachfantasien: Die Exkursion zu herausragenden Dachlandschaften in der Schweiz, zu der im Rahmen des Landesprogramms „Naturvielfalt in der Gemeinde“ geladen wurde, hielt für jeden der Vorarlberger TeilnehmerInnen aus den Sparten Landschafts- und Gartenbau, Dachdeckerei, Raumplanung und Architektur und Ökologie etwas Interessantes bereit.

Bauökologisches „Weltwunder“ in Wollishofen

Tauwasser benetzte Schuhe, zahlreiche Heuschrecken sprangen davon, Wildbienen und Schmetterlinge sammelten schon Nektar als 20 Exkursionsteilnehmerinnen am frühen Morgen auf einer Magerwiese mit 175 Pflanzenarten (darunter 9 verschiedene Orchideen!) standen. Eine Vielfalt, die im Kanton Zürich selten ist. 6000 Exemplare des Kleinen Knabenkrauts (Orchis morio) wurden hier gezählt, die individuenreichste Population der ganzen Region. Und das alles findet sich auf den 100 Jahre alten Flachdächern des Seewasserwerks „Moos“ in Zürich – Wollishofen. Das Wasser des Zürchichsees wird hier über Sandfilter zu Trinkwasser aufbereitet.

„Die Artenzusammensetzung und Blütenpracht entspricht den Wiesen, wie sie noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hier üblich waren. Hier, auf den sechs Dächern des Filterwerks, konnten die zum Teil selten gewordenen Arten überdauern“, erzählte Dr. Stephan Brenneisen, Leiter der Forschungsgruppe Dachbegrünung der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften.

Das bauökologische „Weltwunder“, wie Brenneisen die Dächer von Wollishofen auch gerne nennt, musste in den letzten 100 Jahren nur einmal am Rande ausgebessert werden, ansonsten ist die Dachabdichtung im Originalzustand! 1914 wurde die Dachbegrünung wohl aufgrund ihrer kühlenden und ausgleichenden Wirkung auf die Raumtemperatur innerhalb des Gebäudes angelegt.

Diese begrünten Dachflächen sind weltweit beispielgebend dafür, wie Dachbegrünungen zur Erhaltung der Biodiversität beitragen können. Im Verlauf der Exkursion lernten wir einige weitere mustergültige Dachbegrünungen in der Schweiz kennen, die auch als Habitate seltener Tierarten fungieren.

Grüne Lebensräume für Mensch und Tier im Zentrum von Zürich

Auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände der schweizerischen Bahn mitten in der Stadt entsteht ein neues Quartier mit bis zu 15 Stockwerke hohen Häusern - die Europa-Allee Zürich. Vorgabe der Baubehörde war es, Ersatz-Lebensräume für die Blauflügelige Sandschrecke zu schaffen, eine auf dem ehemaligen SBB-Gelände vorkommende, sehr seltene Heuschreckenart. Mehrere Bauetappen mit Dachbegrünungen sind schon abgeschlossen. Unsere Exkursionsgruppe konnte sich vom Erfolg der Ansiedlung selbst überzeugen und auf dem Dach mehrere Adulte sowie auch Exemplare im Larvenstadium beobachten.

Auf den Dächern werden aber nicht nur Lebensräume für seltene Tierarten geschaffen, sondern auch Gartenlandschaften für die hier wohnenden Menschen. So bewunderten wir mitten in der vom Tropentag aufgeheizten Stadt einen großzügig gestalteten Dachgarten, der mit Erdhügeln und heimischen Pflanzenarten geschickt Rückzugsräume für sieben Terrassenbesitzer bietet.

Fantastische Architektur und Dächer als Kunstobjekte

Die nächste Station brachte uns in eine sehr gediegene Einfamilienhaus-Gegend am Rande von Zürich. Ein kleines Traumschloss mit Türmchen und Erkerchen fiel ins Auge, die gegenüberliegende Wohnanlage zunächst einmal nicht. Dort aber hat sich Architekt Peter Vetsch die Natur zum Vorbild genommen, mit Hilfe von Spritzbeton neun hügelförmige Wohnungen modelliert und mit dem Aushubmaterial wieder aufgeschüttet. So benötigt die mit einer Wildblumenwiese überwucherte Erdhaussiedlung nur etwa ein Drittel der Heizenergie von konventionelle Bauten. Brenneisen zeigte eine aktuelle Luftbildaufnahme, auf der das 4000m ² große Grundstück wie ein Stadtteilpark aussieht, die Verbauung ist kaum zu erkennen. „Aus stadtökologischer Sicht ist das ein interessanter Aspekt, weil durch diese Bauweise das Stadtklima positiv beeinflusst wird“, so der Geograf Brenneisen.

Ähnliches wollten auch die Architekten Baader in Basel auf dem zu sanierenden Tramdepotdach erreichen. Ihr wellenförmiges Dach mit einer Holzkonstruktion brauchte aber ein leichteres Substrat, das gleichzeitig eine üppige Vegetation zuließ. Daher wurde unter 5 cm Dachbegrünungssubstrat gehäckseltes Chinaschilf aufgebracht. Eine Direktsaat aus nahegelegenen Schutzgebieten ließ hier eine artenreiche Blumenwiese entstehen, die wir aber nach mehreren niederschlagsfreien Hitzewochen nur mehr erahnen konnten. Doch die kunstvolle und harmonische Kombination von Architektur und Natur überzeugte auch bei 35°.

Ein Vorbild auch für Vorarlberg

„Ungenutzte Flachdächer sind mit einer Vegetationsschicht zu überdecken“, so steht es lapidar seit 1999 im Bau- und Planungsgesetz des Kantons Basel-Stadt und das hat zur Folge, dass 30 % der Basler Flachdächer heute begrünt sind. Flachdächer ermöglichen einen städteplanerischen Ausgleich zu landschaft- und naturräumlichen Qualitätsverlusten am Boden. Eine Idee, die uns spätestens nach dieser Exkursion überzeugte und die es sicher auch in Vorarlberg wert wäre, verfolgen zu werden.

Diese Veranstaltung wurde von der Umwelt- und Klimaschutzabteilung der Vorarlberger Landesregierung, der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und dem Österreichischen Ökologie-Institut organisiert. Sie fand im Rahmen des Vorarlberger Landesprogramms „Naturvielfalt in der Gemeinde“ statt.

Begrüntes Dach