Presse-Aussendung vom 18.05.2001

Mehrweg - Medicalprodukte

Für den Wiener Krankenanstaltenverbund ein zentrales Anliegen

Pro Krankenhausbett und Jahr fallen rund 1.200 bis 1.300 kg Abfall an, das sind etwa 3,2 kg pro Pflegetag und Patient. Die enorm hohen Abfallberge durch die Verwendung von Einmalartikeln, wie Nierenschalen, Beatmungsschläuche oder Pflegeartikel und die damit verbundene Belastung durch Schadstoffe erfordern ein schnelles und gezieltes Handeln.

Da Krankenhäuser große Dienstleistungsunternehmen sind, verbrauchen sie auch große Mengen an Ressourcen. Eine Fülle von Umweltbelastungen unterschiedlichster Art geht von ihnen aus, die durch Fortschritte in der Medizin, steigende Patientenzahlen, kürzere Liegezeiten, die Anwendung immer neuer Produkte und Verfahren in letzter Zeit noch verstärkt wurden. Da nach dem traditionellen Grundsatz der "Iatrogenesis" der Arzt (griechisch: latros) nicht selbst Urheber von Krankheiten sein soll, ist ökologisches Handeln im Krankenhaus eine besondere Verpflichtung und die logische Konsequenz.

Der Wiener Krankenanstaltenverbund trägt diesem Grundssatz seit langem Rechnung: So wird zum Beispiel auf die Verwendung von PVC in den Wiener Krankenanstalten soweit wie möglich verzichtet, außerdem werden schon seit geraumer Zeit ökologische Wasch- und Reinigungsmittel eingesetzt. Bei der Ernährung der Patienten wird auf ökologische Qualität der Lebensmitteln geachtet. Um die Abfallberge zu reduzieren wurde nun eine Offensive zum vermehrten Einsatz von Mehrweg-Medicalprodukten gestartet. Die Umstellung muss dabei unter Beibehaltung der hygienischen Erfordernisse und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Komponenten erfolgen.

Markt vorhanden

Die Marktrecherche zu Mehrweg-Medicalprodukten, die das Österreichische Ökologie-Institut gerade durchgeführt hat, brachte wichtige Erkenntnisse für die Einführung von Mehrwegprodukten. Für acht Produktgruppen (Nierenschalen, Krankenunterlagen, OP-Abdeckungen, Beatmungsschläuche, Lätzchen/Waschlappen/Pflegeartikel, OP-Schürzen, Redonflaschen und Sterilisierbehälter) wurde erhoben, welche Hersteller von Mehrwegformen es gibt und zu welchen Konditionen sie die abfallsparende Variante anbieten. Darüber hinaus wurde auch ermittelt, wie diese Produkte sterilisiert und aufbereitet werden können und mit welchen Kosten der Wiener Krankenanstaltenverbund als Beschaffer zu rechnen hat.

Einem Argument der Einwegbefürworter - nämlich, dass Mehrweg-Medicalprodukte längst vom Markt verschwunden und nur noch Wegwerfprodukte erhältlich seien - konnte durch diese Recherche eindeutig widersprochen werden. 130 Firmen (Hersteller und Handel) gaben telefonisch an, Mehrweg-Medicalprodukte anzubieten, 31 Firmen aus Österreich und Deutschland wurden genau überprüft und ihre Angaben in eine dafür eigens erstellte Datenbank aufgenommen. Diese umfasst mittlerweile über 600 Mehrweg-Artikel.

Mehrweg-Medicalprodukte teurer?

Weiters wird immer wieder argumentiert, das Mehrwegprodukte teurer seien. Betrachtet man nur die Anschaffungspreise so kann man dem Argument durchaus zustimmen. Rechnet man aber den x-fachen Einsatz von Mehrwegprodukten so stellt sich bald heraus, dass Mehrwegprodukte preislich durchaus mithalten können. Beispiel Nierenschalen: Die Preise der Mehrwegprodukte schwanken zwischen ATS 7,- und ATS 140,- pro Stück, wobei die Billigprodukte meistens aus dem Werkstoff PVC bestehen, der vom Wiener Krankenanstaltenverbund dezidiert abgelehnt wird. Edelstahlprodukte, die sich vom Material her am besten eignen sind schon aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung teurer. Da wasserbeständige Einweg-Nierenschalen bereits ab ATS 4,- pro Stück erhältlich sind, wirkt die Einwegvariante auf den ersten Blick wesentlich günstiger. Berücksichtig man aber dass die Edelstahl-Nierenschale laut Herstellergarantie mindestens 30 Mal verwendet werden kann und kalkuliert man bei den Wegwerfprodukten die Entsorgungs- und Transportkosten mit ein, so ergibt sich bereits daraus ein Vorteil für die Mehrweg-Schale. Der vielleicht etwas höhere Personalaufwand bei Mehrwegsystemen lässt sich durch geeignete Aufgabenteilung bzw. Outsourcing der Sterilisierung ebenfalls minimieren.

Noch eindeutiger fiel der Vergleich Mehrweg-Einweg bei Beatmungsschläuchen aus: Durchschnittlich kosten Beatmungsschläuche pro Set ca. ATS 350,-. Hier wurden nur PVC-freie Mehrwegprodukte angeboten. Bei einer vom Hersteller garantierten Umlaufzahl von 100 kostet der Mehrweg-Beatmungsschlauch pro Einsatz lediglich ATS 3,50. Ein PVC-Einwegprodukt ist da im Vergleich mit ATS 78,- enorm teuer. 100 mal eingesetzt sind das sage und schreibe 7.800 Schilling. Um die tatsächliche Rentabilität von Mehrweg bzw. Einwegprodukten miteinander zu vergleichen, fehlen hier freilich noch die Aufbereitungs- und Entsorgungskosten.

Vorreiter vorhanden

Der Wiener Krankenanstaltenverbund ist mit seinen Bestrebungen nicht alleine auf weiter Flur. Eine Vorbildwirkung hat etwa die Bayerische Krankenhausgesellschaft, die bereits seit 1992 einen Arbeitskreis "Umweltschutz im Krankenhaus" hat, dem inzwischen 68 Mitglieder angehören.

Von den fünf Projektgruppen, die sich in diesem Arbeitskreis gebildet haben, um Nachhaltigkeit im Krankenhausbetrieb voranzutreiben, befasst sich eine Gruppe mit den "Alternativen zu Einmalartikeln". Einig ist man sich darüber, dass eine Ökologisierung nur durch die Hinterfragung aller Behandlungs- und Pflegemaßnahmen im Krankenhaus erreicht werden kann, unter Berücksichtigung von hygienischen, toxikologischen ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Folgende Schritte wurden festgelegt:

- Ersatz von Einweg- durch Mehrwegmaterialien
- Ersatz von umweltbelastenden durch umweltfreundliche Materialien
- Schonung von Materialien durch
- sinnvolle Aufbereitung
- Einsatz von umwelt- und materialschonenden Mitteln und Verfahren
- Verlängerung von Wechselintervallen "weniger ist mehr"

Dabei eruiert die Arbeitsgruppe, welche Einweg-Medicalprodukte ersetzt werden könnten aber auch welcher Ersatz nicht sinnvoll oder nur unter erheblichen Problemen möglich erscheint.

Motivation ist wichtig

Damit vorgeschlagene sinnvolle Maßnahmen auch wirklich umgesetzt werden können, müssen das obere Management dafür gewonnen und die Mitarbeiter motiviert werden. Der Wiener Krankenanstaltenverbund hat daher Anfang Mai zu dem Thema "Einsatz von Einmal- und Mehrweg-Medicalprodukte - Ökologische Überlegungen" mehr als hundert Mitarbeiter zu einer halbtägigen Veranstaltung eingeladen.

Umweltschutz ist eine Maßnahme zur Gesundheitsvorsorge. Krankenhäuser haben daher nicht nur eine gesetzliche, sondern auch moralische Verpflichtung und Vorbildwirkung für ökologisches Handeln. Daher sollte bei Produkt-Ausschreibungen - ähnlich wie bei PVC-freien Produkten - Mehrweg-Medicalprodukten Vorrang gegeben werden.

Dieser Artikel erschien im Mai 2001 in der österreichischen Bürgermeisterzeitung.

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